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Die Schlacht am Granikos - ein Phantom

Die Schlacht am Granikos, Gemälde von Charles Le Brun (um 1665)

 Die Schlacht am Granikos, Gemälde von Charles Le Brun (um 1665)

Am Ufer des Flusses Granikos, nur kurze Zeit nach Alexanders Übergang nach Asien, fand die erste von drei großen Schlachten statt, in denen der Untergang des Persischen Weltreichs besiegelt wurde. Zugleich ist sie diejenige, über die wir heute am wenigsten gut Bescheid wissen. Und das nicht etwa, weil es an Informationen fehlen würde – wir wissen, wann die Schlacht stattfand (Mai 334 v. Chr.), wo (die Lage des Schlachtfelds ist bekannt) und wer gewonnen hat (Alexander). Doch damit hören die Gewissheiten auch schon auf.

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​Das betrifft etwa die Frage, wie viele Teilnehmer bei dem denkwürdigen Ereignis eigentlich beteiligt waren. Einigermaßen sicher ist die Zahl der Kämpfer, die Alexander über den Hellespont führte. Die Angaben der antiken Historiker liegen ziemlich übereinstimmend bei etwas mehr als 35.000 Mann (mit einem „Ausreißer“ von 48.000). Für die persische Seite sind dagegen nur nur zwei Zahlen überliefert: 40.000 (Arrian; darunter 20.000 griechische Söldner) und 110.000 (Diodor). Ein ziemlich großer Unterschied also.

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​​Noch komplizierter wird der Fall dadurch, dass Alexander offenbar längst nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Truppen zum Einsatz brachte. Die in den Quellen überlieferte Schlachtordnung führt mit wenigen Ausnahmen nur makedonische Truppen auf (insgesamt etwa 15.000 Mann). Nicht erwähnt werden dagegen Alexanders griechische Verbündete, die Söldner in seinem Heer (ebenfalls Griechen) sowie Thraker und Illyrer (alle zusammen 19.000 Mann).

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Das heißt also: Alexander hat in der Schlacht am Granikos weniger als die Hälfte seiner Truppen eingesetzt. Warum? Misstraute er den übrigen, besonders seinen griechischen Verbündeten? Dazu hätte er durchaus Anlass gehabt, und auch in späteren Schlachten verzichtete er sicher nicht ohne Grund auf ihre Mitwirkung.

Was aber bedeutet das im Hinblick auf die Zahl der persischen Truppen? Auch in der Antike war es beliebte Praxis, die Stärke gegnerischer Heere kräftig zu dramatisieren, um den schließlich errungenen Sieg in umso helleren Licht leuchten zu lassen. Das dürfte Diodors 110.000 Mann erklären. Aber was ist mit Arrians auf den ersten Blick realistischeren 40.000? Könnte auch diese Zahl noch zu hoch gegriffen sein, wenn Alexander meinte, sich auf seine Kerntruppen beschränken zu können?

 

Über den Verlauf der Schlacht selbst sind zwei völlig unterschiedliche Versionen überliefert. Die persische Reiterei, so viel ist unbestritten, hatte sich auf dem östlichen Ufer des Granikos verschanzt – eine starke Stellung, denn während der Feind den Fluss überquert, ist er angreifbar. Bei Arrian und Plutarch lässt Alexander sofort nach der Ankunft seine Reiterei über den Fluss hinweg angreifen. Die persischen Reiter am anderen Ufer werden in die Flucht geschlagen. Die  griechischen Söldner, vom persischen Oberkommando weitab im Hintergrund positioniert, sind plötzlich auf sich gestellt. Sie werden eingekesselt und niedergemacht.

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Bei Diodor dagegen wartet Alexander in aller Ruhe bis zum nächsten Morgen, dann wechselt er mit seinem Heer unbehelligt auf das andere Ufer. Dort stellt er sich der feindlichen Reiterei (ohne störenden Fluss dazwischen) und schlägt sie in die Flucht. Die griechischen Söldner auf persischer Seite werden nicht erwähnt.

 

Welche Version ist die richtige? Viele Wissenschaftler haben entweder für die eine oder die andere plädiert oder versucht, beide miteinander in Einklang zu bringen. Doch ohne überzeugenden Erfolg. Wie man es auch dreht und wendet: Man muss sich wohl damit abfinden, dass es von Alexanders erster Schlacht auf asiatischem Boden zwei Versionen gibt, die nicht nur widersprüchlich sind, sondern geradezu unvereinbar.

Aniketos - Unbesiegbar

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